
Redakteuer: Andreas Behr
++ Update vom 4. Juli 2025: Stellungnahme des Bürgermeister Jürgen Akkermann ++
Die Stadt Borkum äußert sich enttäuscht über die Zustimmung zur Unterzeichnung des Unitarisierungsabkommens, noch bevor die Entscheidungen über die laufenden Gerichtsverfahren gefallen
sind. „Der Bundesumweltminister hat sich am 02.07.2025 zur Gasförderungen in der Nordsee positioniert. Die Stellungnahme des Ministers ist widersprüchlich. Positiv ist zu bewerten, dass
der Meeresschutz und die Biodiversität als sehr wichtig erkannt werden und hier dringender Handlungsbedarf gesehen wird“, kritisiert Jürgen Akkermann das Vorgehen des Bundesumweltministers. Aus
Sicht des Bürgermeisters sind „die Belastungen der Meere bereits sehr hoch“ und aus seiner Sicht neue Förderstätten für fossile Energien mit dieser Feststellung unvereinbar. Die Beschränkung,
Plattformen nur außerhalb von Schutzgebieten zu erlauben, ist bei näherer Betrachtung eben kein Erfolg für den Meeresschutz.
Akkermann ergänzt: Die Plattformen emittieren bei Normalbetrieb bei der Förderung unvermeidlich Schadstoffe in die Luft und ins Wasser. Hier sind u.a. Benzol und Schwermetalle zu nennen. Diese verteilen sich durch Winde und die Strömung auch in die umgebenden Schutzgebiete und belasten diese zusätzlich und damit erheblich. Bei Havarien ist das Gefährdungspotential unvergleichlich höher. Wir vermissen auch die Benennung der betroffenen Schutzgebiete. Es handelt sich immerhin u.a. um das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer und um den Niedersächsischen Nationalpark Wattenmeer sowie Natura 2000-Gebiete. Diese liegen in unmittelbarer Nähe der bereits errichteten Plattform und sind in der Wertigkeit sehr hoch. Damit sind sie für das vom Ministerium formulierte Schutzziel unverzichtbar. Vor diesem Hintergrund ist die Positionierung des Ministers unverständlich und mehr als enttäuschend. Plattformen nur außerhalb der Schutzgebiete zu erlauben, ist daher kein Erfolg für den Meeresschutz, sondern verschlechtert diesen und wird dem selbst auferlegten Ziel, das Meer und die Biodiversität zu schützen in keinster Weise gerecht.“
„Die Stellungnahme des Ministers erfolgte anlässlich der Kabinettsentscheidung für ein Unitarisierungsabkommen zwischen dem Königreich der Niederlande und der Bundesrepublik Deutschland zu Gasförderungen in der Nordsee vor Borkum. Diese Entscheidung und die spätere Unterzeichnung haben nach unserem Rechtsverständnis keinen Einfluss auf die noch ausstehenden Entscheidungen der unabhängigen Gerichte. Borkum und Juist beklagen mittlerweile vier Sachverhalte vor deutschen und niederländischen Gerichten. Alle Entscheidungen stehen noch aus. Verwunderlich in diesem Zusammenhang ist, dass die Gasförderung trotzdem bereits begonnen hat“, schließt Bürgermeister Akkermann seine Stellungnahme.
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++ Update vom 3. Juli 2025: Gericht stärkt Seekabelprojekt vor Borkum ++
Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat mit Beschluss vom 3. Juli 2025 (Az. 5 B 4585/25) dem Eilantrag der One-Dyas B.V. stattgegeben und die sofortige Vollziehbarkeit zweier naturschutzrechtlicher Befreiungen festgestellt. Damit darf das niederländische Unternehmen das geplante Stromkabel vom Offshore-Windpark Riffgat zur Gasplattform N05-A vorerst verlegen.
Die Befreiungen betreffen besonders geschützte Biotoptypen entlang der Kabeltrasse. Der Beschluss stellt klar, dass auch nach Änderungen der Genehmigungsbescheide im März 2025 deren Sofortvollzug weiter gilt. Eine inhaltliche Prüfung der Umweltverträglichkeit fand im Verfahren nicht statt.
Das Verfahren wurde von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) begleitet, die weiterhin gegen das Vorhaben klagt. Der Beschluss ist nicht rechtskräftig – die DUH kann Beschwerde beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einlegen oder einen Antrag auf Aussetzung des Sofortvollzugs stellen.
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Trotz erheblicher Proteste und laufender Gerichtsverfahren hat das Bundeskabinett Abkommen mit den Niederlanden zur gemeinsamen Gasförderung in der Nordsee zugestimmt. Ziel des sogenannten Unitarisierungsabkommens ist die grenzüberschreitende Erschließung eines Gasfeldes nahe der Insel Borkum – in unmittelbarer Nähe zum sensiblen UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer.
Die Entscheidung markiert eine Kehrtwende in der deutschen Energiepolitik. Noch unter der Leitung von Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte die Bundesregierung das Abkommen auf Eis gelegt und angekündigt, laufende Gerichtsverfahren abzuwarten. Nun jedoch spricht sich die neue Koalition aus CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag für die Nutzung konventioneller Gasvorkommen im Inland aus. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) begrüßte den Beschluss als Beitrag zur europäischen Versorgungssicherheit.
Die Zustimmung zum Abkommen bedeutet allerdings noch keinen endgültigen Startschuss für die Gasförderung: Zunächst müssen Bundestag und Bundesrat ein Vertragsgesetz verabschieden. Zudem stehen noch mehrere gerichtliche Entscheidungen aus – unter anderem vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht, wo die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die Stadt Borkum gegen das Projekt klagen.
Die Kritik an dem Vorhaben ist scharf. Umweltverbände warnen vor irreparablen Schäden für die fragile Meeresökologie. Die DUH spricht von einem „Geschenk an die fossile Industrie“, das Havarie-Risiken, Klimaziele und Treibhausgasemissionen ausblende. Niedersachsens Energieminister Christian Meyer (Grüne) warf Berlin vor, mit dem Projekt Klimaziele zu konterkarieren und fossilen Konzernen zu dienen.
Im Zentrum der Debatte steht der niederländische Energiekonzern ONE-Dyas, der von einer Bohrplattform auf niederländischem Hoheitsgebiet aus auch unter dem Meeresboden auf deutscher Seite Gas fördern will. Die entsprechende Genehmigung des Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie in Niedersachsen für das Gasfeld N05-A wurde bereits 2024 erteilt – befristet auf 18 Jahre. Darüber hinaus hat das Unternehmen weitere Fördergebiete ins Visier genommen, die laut eigenen Angaben jedoch weiter von den Wattenmeerinseln entfernt liegen.
ONE-Dyas plant zudem, ein Stromkabel zum nahegelegenen deutschen Windpark Riffgat zu verlegen – ein Schritt, der von Umweltschützern als „Greenwashing“, als „grünes Feigenblatt“ bezeichnet wird, um industrielle Eingriffe in ein ökologisch hochsensibles Gebiet zu legitimieren.
Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) versucht, die Wogen zu glätten: Er betonte, dass Meeresschutzgebiete von der Gasförderung ausgenommen bleiben müssten. Ein entsprechender Rechtsrahmen sei in Vorbereitung. Schneider erklärte, der Beschluss sei auch als Signal an Investoren zu verstehen, dass Bohrungen in Schutzgebieten nicht geduldet würden.
Die DUH mit Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner übte indes scharfe Kritik und wirft der Bundesregierung in einer unmittelbaren Stellungnahme vor, mit dem Abkommen gezielt Druck auf Gerichte und Behörden auszuüben. Man vertraue jedoch darauf, dass die Justiz unabhängig entscheide und geltendes Umweltrecht durchsetze. Für die Artenvielfalt in der Nordsee, so warnen die Umweltschützer, wäre eine weitere Industrialisierung fatal – bedrohte Arten wie Schweinswale und empfindliche Riffstrukturen könnten dauerhaft geschädigt werden.
Klar ist jedoch schon jetzt: Die Entscheidung zur Gasförderung mit dem verabschiedeten Abkommen spaltet weiterhin Politik, Gesellschaft und Inselregion.
