Redakteur: Andreas Behr

Der Verein Borkumer Jungens e.V. 1830 hat sich entschieden, eine langjährige Tradition zu beenden: Künftig wird beim Aufstellen des Maibaums zu Pfingsten kein lebender Hahn mehr in einem Korb auf dem Baum platziert. Damit reagiert der Verein auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und das zunehmende Bewusstsein für Tierschutz.
Bislang galt das Krähen des Hahns am Morgen nach dem Aufstellen des Maibaums als gutes Omen für einen schönen Sommer und eine erfolgreiche Badesaison. Der Hahn wurde dazu zwei Tage lang in einem Korb mit Futter und Wasser hoch oben im Baum untergebracht – ein Anblick, der für viele zu Borkum gehörte.
Wie Oldermann Maximilian Rau, Vorsitzender des Vereins, erklärt, habe man sich bereits seit einiger Zeit gemeinsam mit der Stadt Borkum und Bürgermeister Jürgen Akkermann Gedanken gemacht, wie man Traditionen bewahren und zugleich problematische Elemente überdenken könne. „Einen Shitstorm wie beim Klaasohm-Fest möchten wir nicht noch einmal erleben“, sagt Rau mit Blick auf die Kritik im Dezember, als es im Zusammenhang mit dem traditionellen Fest zu Vorwürfen wegen gewaltsamer Übergriffe auf Frauen kam. In der Folge hatte der Vereinsvorstand begonnen, das gesamte Brauchtum kritisch zu reflektieren und in Teilen weiterzuentwickeln.
Die Tierschutzorganisation Peta hatte die Praxis, einen lebenden Hahn auf dem Maibaum zu platzieren, öffentlich als „leidvolle Tradition“ kritisiert und sowohl den Unterverein „Trachtengruppe“ als auch das Veterinäramt des Landkreises Leer bereits im Dezember 2024 aufgefordert, diesen Brauch zu unterlassen. Rau weist jedoch zurück, dass der Verein erst auf äußeren Druck reagiert habe: „Nach der Klaasohm-Debatte haben wir intern viele Aspekte unseres Brauchtums auf den Prüfstand gestellt. Natürlich gibt es noch Verbesserungsbedarf in unserer Außenkommunikation, aber unsere Entscheidungen treffen wir aus eigener Verantwortung.“ Die konkrete Anfrage von Peta sei laut Rau zudem nicht direkt an den Verein, sondern an die Trachtengruppe der Insel gegangen.
Auch der Landkreis Leer wurde von Peta aufgefordert, die Praxis zu untersagen. Eine formelle Anzeige sei laut Kreissprecher Philipp Koenen jedoch nie eingereicht worden. Er betonte: „Wenn es konkrete Hinweise darauf gegeben hätte, dass ein Hahn zwei Tage lang in einem Korb an einem Maibaum hängt, hätten wir das untersagt.“ Nach Rücksprache mit dem Verein wurde dem Landkreis mitgeteilt, dass die Tradition nicht fortgeführt werde – damit sei der Fall für die Behörde abgeschlossen.
Beim Maibaumfest gehe es vor allem um Gesang und Tanz durch die Trachtengruppe und den Männerchor. „Ich freue mich – hoffentlich bei schönem Wetter – auf viele Insulanerinnen und Insulaner sowie Gäste, um gemeinsam den Maibaum zu feiern“, sagt der Vereinsvorsitzende, der herzlich zum Fest an Pfingstsamstag um 18:30 Uhr auf den Platz in der Süderstraße (Ecke Teehaus) einlädt.
Auf das Wetter-Orakel will man auf Borkum dennoch nicht ganz verzichten: Statt das Tier auf den Baum zu setzen, besucht man den Hahn nun in seinem gewohnten Umfeld und lauscht dort seinem Krähen. Je lauter der Hahn, desto besser – so besagt es zumindest der Glaube – wird die kommende Saison. Peta begrüßte diese Lösung ausdrücklich. „Wir sind erleichtert über die Einsicht des Vereins, dass es ethisch nicht vertretbar ist, einen Hahn tagelang auf einem Maibaum zu platzieren“, erklärte Peter Höffken, Fachleiter des Kampagnenteams bei Peta.
Textauszüge: Elisabeth Ahrends, NWZ
